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Runst 2015 - Tag 3: Das feuchte Ende

Der nächste Morgen ist etwas schwerfällig. Die schweren Regentropfen klopfen auf das Fensterbrett des sehr angenehmen "Ferienhaus Rennsteig", Lance gibt nach wie vor seltsame und in Bezug auf seine Gesundheit beunruhigende nächtliche Geräusche von sich. Manchmal stellt man sich auch einfach nur die Frage, was es für einen Sinn macht, dass "Nasen laufen und Füße riechen"?! Der Engpass der einzelnen Dusche auf der ersten Etage wird meisterhaft durch eine stille Einbeziehung der Sanitäranlagen anderer Etagen umgangen. Wir lassen uns mit dem Start Zeit, denn man kann zwar auch im Regen radeln - *muss* man aber nicht. Das Frühstück ist mehr als reichlich, zumal die exzessive Zuführung tierischer Proteine der letzten Tage die Verdauungstrakte der Männer für eine weitere Auffüllung mit solcherart Lebensmitteln bei den meisten der Anwesenden weitgehend zu blockieren versuchten. Zum Glück war eine türkische Großfamilie im Nachbarhaus, die sich über die sinnvolle Verteilung der angekratzten Fleischplatte ernsthaft freute. Der Regen wurde langsam wärmer und wir beschlossen irgendwann den Start, da das Wetter eh instabil werden sollte. Nach einem kurzen freudvollen Skandieren des Rennsteigliedes und verschiedenen Diskussionen über die Notwendigkeit der Anwendung wärmender und wasserabweisender Kleidungsstücke gingen wir die letzten 62km an. Der Guide sagte, dass es jetzt eigentlich nur noch bergab gehen würde. Die gleichzeitige Angabe der dennoch entstehenden 750 Höhenmetern passte zwar nicht ganz zu dieser Angabe, aber was soll uns da schon schocken?

Der Regen verschonte uns leider nicht, aber als wir dann endgültig und vollständig durchnässt waren, war es eigentlich sowieso alles egal. Also weiterstrampeln! Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob es am gestrigen Tag oder eben heute war1, aber irgendwann blieb das Vorderrad vom Iso (beim Versuch des Erreichens des richtigen Weges heraus aus dem Trail) an einer wurzeligen Schüttelstrecke schlagartig in einem gut zugewachsenen Graben stecken. Es liegt in der Natur der lose gekoppelten Systeme, dass eben nur das fest mit dem Vorderrad verbundene Gesamtrad, nicht aber der mit dem Rad lose verbunden Iso dieser spontanen Bremsverzögerung ausgesetzt war. Er setzte seine Bahn ballistisch fort und wurde nur wenig später ebenfalls mit hoher Verzögerung ausgebremst, was aber in den Bereichen, die den auftretenden Energien ungeschützt ausgesetzt waren, für zusätzliche Abnutzungsspuren führte. Wenige elegante Flügelschläge hätten ihn aus der Gefahrenzone gebracht, doch der alte Spruch "Wer vögeln kann, kann auch Fliegen!" scheint nicht immer der Wahrheit zu entsprechen. Andere mögliche Auslegungsvarianten reverser Art ignoriere ich hier nicht einmal.

Bergauf fuhren wir weitgehend durch entgegenkommende Bäche und bergab überholten wir das fließende Wasser. Die trockensten Phasen waren definitv die Momente der durchaus vorhandenen und mehr oder weniger elegant ausgeführten Sprungelemente, bei denen sich das Wasser nicht mehr in ausreichender Menge an den Reifen festhalten konnte und erst der "Patsch!" zurück in die Realität füllte auch die letzten Ritzen sofort wieder mit frischen Wasser auf. Manchmal fuhren wir durch nasse Wiesen, manchmal über patschnassen Asphalt. Es sind ja immer nur die ersten Momente unangenehm, wenn das kalte Wasser den Rücken hinunterrinnt und in Körperbereiche kommt, die auf solche Reize eher beunruhigt reagieren. Ist man einmal so richtig durch, spielt das alles keine Rolle mehr.

Auf einmal - inmitten dieser unangenehmen Serviceerfahrungen - leuchtete ein das Gasthaus Hirsch einfach nur positiv heraus. Eine wie selbstverständlich freundliche Bedienung, die uns nasse Radler kommentarlos hereinbat und Unterlagen zum Draufsetzen verteilte, am Telefon anrufende Gäste professionell mit Informationen versorgte, alles richtig und in guter Zeit auslieferte, eine spontan eintreffende Familie trotz Reservierungen "irgendwie schon unterbringt" und uns unaufdringlich und perfekt versorgte. So soll das sein. Also wir fanden das gar nicht so schlimm dort und ich glaube, dass auch die junge Frau ihren Spaß an ihrer Arbeit und auch an uns alten Knackern hatte. Es ist wahrscheinlich gar nicht so kompliziert mit dieser Geschichte "Service".

Im Lauf der weiteren Fahrt kam eine sehr lange asphaltierte Radstrecke parallel an einer Bundesstraße und irgendwann merkte man, dass der Rennsteig auf der bayerischen Seite2 meist asphaltiert und begradigt verläuft und auf der thürnger Seite ein sportlicher Wander-/Radweg geblieben ist. Irgendwann musste der Iso bei einem Kontrollhalt wegen einem schleifenden Hinterrad feststellen, dass der Rahmen seines Rades (kaum dass es nach heftiger Benutzung 10 Jahre alt geworden ist) an der hinteren Schwinge gebrochen war. Wir haben uns an den Kodex gehalten und ihn selbstverständlich zurückgelassen. Doch wir brachten es nicht fertig, ihn auf der thüringischen Seite dem sicheren Hungertod auszusetzen und begleiteten ihn zumindest weiter bis nach Bayern, wo er sich (trotz der unverkennbar fränkischen Erde) wenigstens rudimentär zu verständigen wusste.

Es dauerte nicht mehr lange und des Nachbars hintere Bremse ließ von den Bremswerten her deutlich nach. Das Fahren wurde anstrengender sowie etwas verbissener und der Moartl ging uns bei einer seiner inzwischen obligatorischen Umfahrungen durch eine von ihm selber an sich selbst gestellte und dann auch noch falsch beantwortete Verfahrensfrage verloren, was er erst am Zielort korrigieren konnte. In Zeiten der mobilen Tragfernsprecher stellte das ja kein ernsthaftes Problem dar. Der Zielort Blankenstein lockte uns mit einer letzten und wirklich steilen Asphaltabfahrt, in deren Verlauf der Nachbar mit zügigem Tempo alle Querstraßen querte, was er unten mit einem lapidaren "Ich konnte halt nicht mehr bremsen.." kommentierte. Wenn man den Rennsteig in dieser Richtung überquert, so ziehen sich die letzten Kilometer deutlich uninteressanter weiter, auch wenn es sich tatsächlich um den Rennsteig - also den Kammweg des Thüringer Waldes - handelt. Schöner ist definitiv der Teil weiter westlich. Als Wanderer tut man sich wohl da schwerer als ein Höchstleistungsbergradfahrer.

An der Selbitz und der Saale angekommen warfen die "echten Runstigen" den über den Rennsteig mitgeschleppten Stein ins Wasser und sangen zum letzten Male gemeinsam das berühmte Lied. Eine Frau, die von uns saudreckigen und patschnassen Radlern ein Bild machte, wollte wissen, ob wir jetzt die Tour beginnen wollen. Hm! Na klar, wir fahren immer so los!

Die Heimfahrt gestaltete sich als nicht ganz so einfach, denn wir hatten ja ein Radl zu viel und einen Radler zu wenig. Im Endeffekt konnte das alles dadurch gelöst werden, dass der Lance mein Radl auf seinem Auto anschnallte und ich einen Platz im Auto des Jo ergatterte, dessen LAB samt Daugther wieder aus den sächsischen Sprachrevieren zurückrollten und das fehlende Fahrzeug in der Kette der Organisation final bereitstellte. Der Lance bemühte sich, den zurückgelassenen Iso irgendwo wieder aufzusammeln und die Fahrt zur vom Iso angegebenen Position war noch eine kleine Odyssee, da er noch einige Kilometer durch eine Baustelle fahren musste. Diese war zwar noch nicht für den Verkehr freigegeben, eine Umleitung gab's aber trotzdem nicht. Die JoDaugther warf auf der Rückfahrt ganz schüchtern ein, dass sie gar nicht nach Regensburg muss, sondern gern nach Nürnberg gefahren werden würde und so gab es auch für uns eine Umfahrung.

Soll ich eine Quintessenz schreiben? Ok: Es war eine richtig tolle Tour, gut vorbereitet und perfekt geführt. All die vielen Besonderheiten der An- und Abreisen haben am Ende funktioniert. Manchmal war es eine Reise in die Vergangenheit, die ich lange schon überwunden glaubte und erst durch den Spiegel der teilweise entsetzten Mitradler aus den bayerischen Gefilden wurden mir einige Dinge bewusst gemacht, die ich vorher als eine Art "Selbstverständlichkeit" einfach so akzeptiert hätte3. Nein, die Servicewüste war definitiv kein Zufall, da stand eine Grundeinstellung dahinter. Auch wenn einer der Mitradler gesagt hat, dass er dort "definitiv nicht mehr" hinfahren wird, bleibt für mich die Frage offen, wieso diese tolle Natur und dieses Kleinod von Weg nicht mit einer selbstverständlichen Gastfreundschaft garniert wird. Das sollte ein paar Leuten vor Ort zu denken geben! Der spontane Ausruf vom Broovfvvff "25 Jahre sind einfach nicht genug!" hat mir zu denken gegeben.

Entfernung 62km
Höhenmeter 750HM
Fahrzeit 3h 55m
Schnitt 15,8km/h

Hier geht's zu den Bildern des Tages :)

1)   .. und das ist auch egal, weil es ja keine Rolle spielt und aus meiner Sicht der reichlich vorhandenen Lebensjahre spielen die paar Stunden Abweichung auch keinerlei Rolle!
2)   Ja, der Rennsteig quert die bayerisch-thüringische Grenze mehrmals.
3)   Diese Einschätzung ist meine eigene welche und muss weder die anderer Menschen noch die anderer Bergradfahrer wiedergeben.