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Runst 2015 - Tag 2: Alles nur Zufall!

Am Morgen zeigte es sich, dass ich eine gute Wahl getroffen hatte! Als gestern am Abend klar wurde, dass wir in Doppelzimmern schlafen würden, stellte ich - aus meinem puren Überlebenswillen und meiner Hüttenerfahrung heraus getrieben - die Frage "Nachbar, schnarchst Du?1" und sein "Nein!" war noch nicht verklungen, als ich schon "Dann schlafen wir nebeneinander!2" herausstieß und seine nickende Zustimmung kam früher als seine entsprechende Gegenfrage, die ich sowieso mit einem "Woher soll ich das wissen?3" beantwortet hätte. So wurde es für mich eine sehr ruhige Nacht - wie zu Hause! Der Gasthof "Kleiner Inselsberg" zeigte sich beim Frühstück dank der (wahrscheinlich) Chefin von einer angenehmen Seite, denn alles war wie für uns angemessen und reichlich - dem Lance wurde sogar freundlich (!) gestattet, seine Trinkflasche mit Saft zu füllen! War gestern vielleicht doch alles nur Zufall? Wir schoben die Räder aus dem Schuppen, skandierten noch den Refrain des Rennsteig-Liedes in die morgendlich frische Luft des Thüringer Waldes und dankten dem Guide für die perfekte Organisation, welche uns bisher nicht nur den angedrohten Regen, sondern auch den morgendlichen Anstieg aus Brotterode heraus ersparte - einfach perfekt :)

Wir mussten nicht lange nach der Mareile suchen. Sie lächelte uns verschmitzt von den Bäumen herunter an und führte gelegentlich auch über unfreiwillige und bissige Wurzelstrecken, bei denen sich besonders der V-Mann etwas schwer tat, denn nicht erst bei der Tour vom 09.09.2015 zeigte es sich, dass "Hardtail fahren" eben nur was für echte harte Fahrer und Fahrerinnen ist. Da bei V-Mann zusätzlich noch die leicht mangelhafte technische Ausrüstung (auf die er weder was kommen ließ, noch was schieben konnte) auch noch etwas unterdimensioniert war, musste er nach solchen Passagen öfters die Ellenbogen wieder runterschütteln. Ach ja: zum Thema "mangelhaft" zeigte sich auch, dass zu geringer Luftdruck zwar die kleinen derben Ecken wegpuffert, aber auch die Bikenatter magisch - ja geradezu isotonisch - anlockt. Eigentlich waren alle froh über die Pause, nur der Iso schaute etwas angelämmert, als seinem zerbissenen Schlauch die Luft ausging. Doch wir 10 kamen 10 vor 10 am Berghotel "Ebertswiese" an, wo schon eine Familie im Schein der Morgensonne an ihren trockenen Brotresten knabberten. Der IM Broiler wollte es möglich machen, dass wir hier einen Snack für den Tagesstart zum Zwecke der Nachstärkung zu uns hätten nehmen können, doch der Wirt murmelte ein "Was wollt ihr denn schon hier, wir haben doch noch gar nicht auf!", was zu einem wilden Gegacker führte und die rote Nase des Wirtes noch einmal verstärkte. Doch er erklärte sich bereit, eine Bestellung aufzunehmen und da er genauso Berliner Wurzeln wie der Berichtserstatter hatte, führte das dann doch zu einer relativ schnellen Einigung (nach der Feststellung des "richtigen Zentrums" von Berlin) und er nahm "Zuerst die kalten Getränke!" und dann erst die Warmgetränke- sowie die Kuchenwünsche auf. Geliefert wurde in umgekehrter Reihenfolge und als der Jo eine leicht frech-fröhliche Bemerkung machte, murmelte er ein leicht drohendes "Bist du nicht still, nehm ich dir den Kuchen weg!" .. Aber im Endeffekt wurden wir gut bedient und versorgt, auch wenn die Art sicher etwas gewöhnungsbedürftig war :) Dem Brovvfvfvf entfuhr erneut ein etwas erschrockenes "25 Jahre sind scheinbar wirklich nicht genug!" und wer den Satz "Dagegen ist der Albert ein Vollservice-Restaurant!" einwarf, kann von mir nicht mehr rechtssicher nachvollzogen werden... aber "Das war Zufall!" sagte das Känguruh!

Der Parkplatz am Grenzadler bot eine erschreckend große Betonfläche an der Rennsteig-Arena (in welcher ein Freund vom YoShi die kenianische Biathlon-Nationalmannschaft trainierte) und im Hintergrund das Bild der Sommer-Langlauf-Skihalle, doch uns lockte die Thüringer Hütte mit ihren Thüringer Rostbratwürsten und kalten Getränken. Als wir weiterfahren wollten, sangen wir noch einmal was von "diesen Weg auf den Höh'n.." und plötzlich rief der Grillmeister ein paar unverständliche Worte zu uns rauf .. und spendierte uns allen einen Schnaps! Da scheint also doch nicht alles in der "Servicewüste" zu versinken und dass der Grenzadler angeblich die "Servicegrenze" markieren soll, konnte nicht gesichert nachgewiesen werden :) Da der Iso seinen Schnaps aus nicht näher zu begründenden Gründen verweigerte, musste der leider in einen anderen Magen, auf dass sich der erste Schnaps nicht so alleine fühlen sollte. Au weia, dass erinnerte mich an die Jameson- und Bushmills-Verbrennung und an die Vernichtung des schlimmsten Feindes der Bergradfahrer: des Alkohols! .. aber der Flow war echt cool :) Am Horizont standen dicke, fette, drohende und schwarze Wolken, aus denen Blitze zuckten, doch wie soll uns so was schon beeindrucken?

Der Guide entschloss sich irgendwann einmal, eine Sonderlocke zu dem wirklich schönen Ausblick der "Hohen Möst auf 888m" ins Schmalkalder Tal einzubauen und noch war die Bereitschaft groß, all den seinen Hirnwindungen angepassten verschlungenen Verwirrungen widerspruchslos Folge zu leisten. Wir bemerkten alle seine sehnsüchtigen Blicke hinunter zu den uralten Suhlen seines Wirkens in der Stadt, die in dunklen Zeitaltern auch "Sozialistisch unterentwickeltes Hinterland" genannt wurde. Ach Du liebliches Suhl, Heimat der (angeblichen) "Hünsfresser" (wer je einen argentinischen Dackelrücken gegessen hat, wird nie wieder aus Goldlauter wegziehen..) eingebettet zwischen grünen Höh'n mit dem Weg obendrauf - ihr wisst schon: dieser Weg auf den Höh'n... Trotz der Angst vor dem großen Bär auf dem großen Beerberg erfuhren wir die höchste Stelle des Thüringer Waldes im Schweiße unserer Füße. Ziemlich dicht bei uns standen dicke, fette, drohende und schwarze Wolken, aus denen Blitze zuckten .. Moment mal, die waren doch vorhin noch viel weiter weg .. *tröpfel*!

*tropf*

*tropf*

*tropftropftropf*

*pladder*

Wir sind doch nicht aus Zucker! Zumal die vom Jo avisierten Naturschönheiten uns noch immer nicht in der vollen angekündigten Vielfalt und üppigen Pracht zu Augen kamen, wollten wir weiterfahren! Doch das mit den fehlenden Naturschönheiten sollte sich bald ändern, denn Schmücke schmückt sich nicht nur mit einem Waldhotel, an dem wir nichts wesentliches aussetzen konnten (zumindest erinner' ich mich mit meinen von der Servicewüste geschwächten Augen nicht mehr an dortige Katastrophen), die Bier und Wurst und andere Genüsse für uns bereithielt, sondern auch - auf Wunsch - mit den weit über die Grenzen von Schmücke4 hinaus bekannten Schmückegirls für die Erfüllung weitergehender Wünsche. Ach was hätten die Damen alles für uns leisten können, doch wenn richtige Männer sich schon *einmal* was wünschen dürfen, dann würden sie wohl immer - so wie wir - die nassglitschigen Wurzelschüttelwege bevorzugen und sofort befahren.. manchmal auch eben einfach fluchtartig.

Irgendwann kam dann der Augenblick, der sich verschiedenen anderen Bergradfahrern tief eingebrannt hat: Ich war sprachlos. Spontan, vollständig und nicht mehr in der Lage, mich innerhalb weniger Sekunden aus diesem Taumelzustand zu befreien. Wie es dazu kam? In Neustadt am Rennsteig setzen wir uns auf die vor einem Café stehenden Stühle und fragten "Haben Sie was Süßes für uns? Kuchen oder so?" "Ja. Apfelstrudel!". Klingt gut, denken wir, verabschieden die Hälfte der zur Grillvorbereitung vorausradelnden Radler, die diesem angenehmen Zwischenstopp keine Beachtung schenken wollten und bestellten keine zehn Minuten später "OK, wir nehmen den Apfelstrudel!" .. und da war sie wieder die Thüringer Gastfreundlichkeit, denn es knallt uns ein patziges "Jetzt ist Abendbrotzeit! Der Chef macht jetzt keine Apfelstrudel mehr!" entgegen. Au weia - So erlebten wir halt die nächste Katastrophe in der Servicewüste im Rennsteighotel Gasthof Hubertus in Neustart am Rennsteig. Dass ich dann beim Gang zur Toilette dieses Hauses das Schild "Des Wirtes größte Ehr ist des Gastes Wiederkehr!" antraf und daraufhin das Haus lachend und auf den Knien robbend verließ, war ein Stückchen Krönung der Tour. Vielleicht ist die Studie, dass die Thüringer angeblich die unglücklichsten Menschen Deutschlands sind, doch nicht ganz so falsch. Ok, mein LAB stammt aus Thüringen und ich habe dieses Land immer in schöner Erinnerung, aber diesmal war wirklich wieder mal ein Volltreffer da (.. "Das war Zufall!" sagte das Känguruh! ..).

Nachdem uns dort von einem Radlerpärchen die Umfahrung des Masserberganstiegs wegen "In dieser Richtung nicht befahrbar" angeraten wurde, trafen wir in Masserberg auf einmal wieder einen Teil der wartenden Vorausgefahrenen, die noch auf zwei andere Bergradler warteten, die eben genau diesen Anstieg weitgehend hochgeschoben hatten, doch dann an einer anderen Kreuzung an den anderen Wartenden vorbeifuhren, so dass größere Konfusion über den weiteren Weg bestand. Es gab noch eine kurzzeitige Trennung, als einige der Nachfahren die direkte Schotterlinie hochfahren und die anderen eben jene erneut umfahren wollten. Doch alle erreichten am Ende das Ziel mit Grill, Dusche und ohne Handtücher6. Jo hatte für uns 10 Männer 5Kg Fleisch und (natürlich) Thüringer Rostbratwürste bestellt, die auf einem - nach anfänglichen Startschwierigkeiten - am Ende doch noch erfolgreich gestarteten Grill bei deutlich zunehmend abnehmender Helligkeit ert vom Guide und dann von unserem Schwaben gegrillt wurden. Na klar: Wenn der Schwabe grill, kann es nur ein Brötchen für drei Würste und zwei Brätl geben.. "Schbare, Schbare, Schbare!" oder auch "Satt werschst nur von die Brötle, die Du selber ischst!" Aber es war lecker! Und füllend! Ohne einen Rhöntropfen quasi nicht zu überstehen!

Der Abend klang lustig verplappert in einer perfekten Unterkunft aus. Zum Thema "Fleisch" kamen unter anderem Dinge wie "weißt Du, warum immer genug Gemüse im Kühlschrank sein sollte? Um das Essen anzulocken!" zur Sprache. Wir waren auch kurz vor der Beschlussfassung, die neuen Radel-Shirts mit "tut mir leid, ich bin nur Gast!" bedrucken zu lassen. Zusammenfassend kann man nur sagen "Hände weg vom Alkohol!" Die schweren Beine und die Angst vor dem Beginn der zu erwartenden Schnarchorgien zwangen die meisten von uns irgendwann in die Betten.

Entfernung 83,9km
Höhenmeter 1698HM
Fahrzeit 5h 47m
Schnitt 14,5km/h

Hier geht's zu den Bildern des Tages oder auch zum Bericht des nächten Tages :)

1)   Nein, ich habe *nicht* gefragt "Nachbar, *fusselst* Du?" ...
2)   Nein, ich habe *nicht* gesagt "Dann schlafen wir *miteinander*!" ...
3)   Ich hätte rein theoretisch wie Frau Kuchen schon vor seiner Frage antworten können, doch woher soll ich denn wissen, ob ich im Schlaf schnarche - da schlaf ich doch!
4)   Also *bestimmt* bis zum großen Beerberg5!
5)   Aber nicht bis Mainburg .. aber das ist wohl ein anderes Thema ...
6)   Naja, zumindest hatten einige von uns eigene Nothandtücher oder andere dafür zweckentfremdete Gegenstände dabei.