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Wer weiß schon am Anfang eines Tages, was so ein Tag bringen wird und was man später davon seinen Enkeln am knisternden Feuer am Lagerfeuer in die erwartungsvoll glänzenden Augen erzählen wird? Na gut, das mit den Enkeln hat noch ein wenig Zeit, aber Lagerfeuer gibt es immer wieder :) und wir haben ja alle inzwischen gut im Bereich der Enkelerzeugung vorgesorgt. Der Tag beginnt - wie so oft auf einer Berghütte - mit einem frühen Aufstehen gegen halb sieben. Die beiden Kuschelmonster im Zimmer sind auch schon aus ihrer Molle gekrabbelt und wuscheln sich die Haare durch .. jaja, die Jugend :) Wir nehmen unser einfaches und gutes Frühstück und die sechs Kölner machen sich schon auf den Weg, das Fernerköpfle zu besteigen, an dem sich der Weg zwischen Schneebigen Nock und Magerstein trennt. Aber die Entscheidung ist ja schon gefallen. Wir genießen noch die Sonne über dem Schnee und stampfen auch eine halbe Stunde später mit Christoph und Luzie los.
Es zeigt sich relativ bald, dass die Lunge vom Gert doch schon etwas voller Teer ist und besonders auf dem weißen Schnee sieht man die schwarzen ausgehusteten Krümel wie eine Wegmarkierung hinter uns den Berg hinunterziehen .. ok, das war jetzt mal ausnahmsweise das feine Stilmittel der Untertreibung. In jedem Fall waren wir aber für die beiden davonziehenden Schnellwanderer zu langsam und zumindest bei mir war das seltsame Gefühl der gelegentlichen Unsicherheit im steilen und zugeschneiten Gelände und an den Abbruchkanten immer mal wieder präsent. Wie hab ich mich gefreut, dass ich den Eispickel mit dabei hatte! Im Sommer (zum Beispiel im August *har* *har*) wäre der Aufstieg zum Fernerköpfle eine einfache Aufstiegsangelegenheit, aber mit Schnee und Eis bekommt das auf einmal eine interessante Komponente. Man hat auf einmal das Gefühl, dass man nicht fehltreten möchte, denn ein "Halt auf Verlangen" wäre in dem Moment eher spärlich verfügbar. Auf dem Weg nach oben treffen wir die Kölner wieder und nach einer Stunde und zehn Minuten stehen wir bei genialer Sicht auf dem Fernerköpfle und sehen keine 20 Minuten später den Christoph schon in der Ferne auf den sonnenüberfluteten Magerstein steigen.
Der weitere Weg bis zum Magerstein ist kraxelig, aber ohne Schnee gut machbar. Mit Schnee ist er manchmal etwas gewöhnungsbedürftig. Als wir vom Grat auf den Ferner1 stiegen, wurde es Zeit für die Grödeln. Die Kölner taten sich in dem Gelände schwerer und nur einer kann der Bestimmer sein - und der war klar festgelegt .. und der traf seine Entscheidungen. Es ging weiter an der Scheewächte entlang bis hinüber zum Magerstein, der sich mit eigentlich unspektakulärer Kraxelei vor uns hinstellte. Aber es war ein Winterspaziergang im August .. Eieiei! Dann entschieden wir uns, auf die sechs sich heranpirschenden Kölner zu warten und schauen derweil einer Lawine am Schneebigen Nock zu. Das Warten dauert länger als uns lieb ist und die Kälte griff derweil langsam nach uns, doch irgendwie wollten wir die Anderen nicht aus dem Auge lassen. Der Christoph ist in der Ferne zu sehen, wie er am oberen Rand des Ferners immer am Grat lang davonsteigt. Und plötzlich war er da (nein nicht der Christoph!) .. der ungefähr um diese Uhrzeit angekündigte Nebel war da.. eben noch in der prallen Sonne und vom Schnee halb blind (ich hatte meine Sonnenbrille sicherheitshalber im Auto gelassen, damit sie nicht dem grellen Tageslicht dort oben ausgesetzt wird) standen wir unvermittelt im - nun ja - im Wattenmeer .. also in einem Meer aus Watte mit einer Sichtweite von wenigen Metern und die Temperatur fiel schlagartig zu Boden.
Wir wussten, dass der Christoph weiter gegangen war und dass er unten auf dem Ferner lief, also blieben wir in seiner Spur (es gab nur diese eine, denn die schmalen Füße der Luzie waren immer gut bei seinen Bergstiefelbewehrten Waldbrandaustretern zu erkennen), was man aber normalerweise nicht machen sollte, denn man kann auch schnell - wie die Lemminge - den gleichen tödlichen Weg wie der vorangegangene Dahingegangene nehmen - aber es war ja kein Anderer auf dem Berg da, alles war voller frischem Schnee und so nahmen wir das Risiko in Kauf. Der Abstieg hinab auf den Ferner entpuppte sich aufgrund des Nebels als kritisch und es wurde immer steiler, doch die Spuren von Christoph und Luzie waren ein verlässlicher Leiter, haben wir die beiden doch schon am Ferner laufen sehen. Es ist absolut verrückt: Aber trotz aller Bergerfahrung hat man in einer solchen Situation schlagartig keine Orientierung mehr und man muss sich festen Annahmen stellen, die sich schnell mal 1000m tiefer beim Aufprall als falsch herausstellen können. Also immer mit der Ruhe, keine Panik :) Irgendwann - den Eispickel tief zwischen die Felsen in Eis und Schnee gerammt - wurde das Gelände so steil und in die Tiefe völlig weiß und unabsehbar, dass ich selber eine Entscheidung treffen musste. Weiter ins absolute und neblige Ungewisse hinuntersteigen und die Anderen mit reinziehen oder Abbrechen und wieder zurück. Ich entschied mich für noch zwei kleine Kraxelstufen und auf einmal stand mein Fuß statt im wabernden Nebel auf dem festen Ferner .. man konnte den einfach bis wenige Zentimeter vor dem Auftreten nicht sehen, da jeglicher Kontrast fehlte. Puh, ich war unten! Dennoch dauerte es eine gute halbe Stunde, bis wir uns alle gemeinsam mit vereinten Kräften auch mit dem letzten der wahnsinnigen Kölner mit sehr unterschiedlichem Kraxelniveau heil unten auf dem Gletscher versammelt hatten. Ich war irgendwie *sehr* froh, dass wir nicht die Route über den Schneebigen Nock genommen hatten!
Aber nur, weil wir den (im Sommer - also z.B. in einem August) absolut unkritischen Abstieg vom Magerstein auf den Rieserferner gemeistert haben, bedeutet das ja nicht, dass wir das Ende der Tour schon erreicht haben! Der Magerstein ist immerhin 3.273m hoch und die Schneefallgrenze lag unter 2500m, der Nebel war da, der Magerstein reckt sich unsichtbar zu seiner vollen Größe auf und das Ziel liegt bei schnuckeligen und frühlingshaften 2274m. Die Worte des Wirtes in Bezug auf die Spalten des Gletschers zwingen einen aus irgendeinem tief sitzenden Überlebenswillen heraus, dem Auf und Ab des Grates Folge zu leisten. Meistens geht es aber bergab, was sorgfältiges Steigen bedingt, denn man möchte auf dem steilen glatten Gelände ja nicht unbedingt den Rennrodler machen :) Der Nebel ist inzwischen dick und fett. Der Grat bleibt immer in Sicht - und symbolischer Griffweite. Durch den wabernden Dunst schwirrt uns das Geräusch eines nicht weit entfernten Helis an, der sich irgendwie gar nicht so weit weg von uns zu schaffen machte und sich dann auf einmal doch wieder akustisch entfernte. Doch er lässt nicht locker und kommt wieder und - auch wenn die Entfernung auf dem Gletscher bei den Sichtbedingungen nicht schätzbar ist - auf einmal scheint er unweit von uns zu landen. Wir sehen ihn nicht, hören aber die im Leerlauf drehende Maschine. Dann tourt die wieder hoch und der Spuk hat ein Ende. Wir warten noch auf die heranwandernden Nordlichter und gehen gemeinsam weiter, immer der Spur von Christoph und Lucie nach.
Auf einmal gehen die Spuren der beiden Vorläufer rechtwinklig auf den abschüssigen Gletscher raus. Das machte uns stutzig und nachdem ich ein- bis viermal gestutzt hatte (das war frei nach Heinz Ehrhardt aus "Der hat so'n Schirm, der Knirps, und nimmt den, haut immer auf meinen Kopf, das machte mich stutzig. Nachdem ich ein- bis viermal gestutzt hatte, sprach ich zu mir: "Also". "Herr Erhardt", sprach ich - nee: "Heinz", sag ich, Heinz - ich sag ja DU zu mir. "Heinz", sage ich, "was soll das da oben bloß sein?" Und nachher, viel nachherer, da kam ich dahinter: der hatte mich verwechselt! Das gönn' ich dem! hier mehr davon...") sahen wir im Nebelgewaber eine skurrile Situation:
Die Horde belgischer Kinder konnte uns nicht weiter schocken und wir konnten uns vom Eis und dem Nebel Ausruhen und dem guten Abendessen frönen. Die Entscheidung über morgen steht noch aus, aber so wie es aussieht, werden wir wohl nicht auf den Berg steigen, wenn es weiter niederschlägt. Die Abendgestaltung mit den Kölnern mit wunderbar lachhaftem Bauchmuskeltraining (in der Art: Treffen sich ein Dortmunder, ein Düsseldorfer und ein Kölner in der Kneipe. Der Kölner bestellt ein "Kölsch" und der Düsseldorfer ein "Alt". Der Dortmunder bestellt eine Cola. Fragt der Wirt "Hey, kein *Bier*?" Sagt der Dortmunder "Wieso, die Anderen trinken doch auch keins!") und irgendwann fallen wir erledigt um. Was für ein Tag!
Hier geht's zu den Bildern des Tages oder auch zum Bericht des nächsten Tages :)
1) | Der "Ferner" hat nichts mit "ferner liefen.." zu tun (auch wenn wir über den Ferner liefen), sondern ist ein anderer Begriff für einen Gletscher in den Alpen (siehe "der Ferner"). | |
1) | Also das waren weder Heringe aus der Dose noch freischwimmende oder gar -lebende Exemplare und schon gar nicht zogen verliebte Fischer die Boote die Berge hinauf... nein, es waren stinknormale und billige Zeltheringe :) |