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Der nächste Tag brachte mir leichtes Bauchgrimmen ob der mir selbst auferlegten Veranstaltung des Tages. Gert war wie immer (zumindest nach dem allmorgendlichen Umbringen des toten Tieres zwischen den Zähnen) gut gelaunt und so ging es mit neu gemischten Sachen mit der Braunwalder Standseilbahn von Linthal hinauf nach Braunwald. Ohne weiteres Federlesen ging es zwei weitere Seilbahnen hinauf bis wir unweit der Baunwalder Klettersteige ankamen. Dort unterhalb der Mauer aus abweisendem Gestein waren meine Knie ziemlich weich und ich zweifelte ob meiner eigenen Mutanfälle. Irgendwann sah ich dann auf meinen Schatten und sprang über denselben. Die ersten Meter waren unproblematisch und ab dann war das alles nur noch unglaublich goil! Gut gesichert an dem Klettergurt vom Toni und immer am hervorragend ausgebauten Steig hinauf, konnte ich es kaum glauben, dass ich die erste Wand (3 Karabiner von 5 möglichen, Schweizer Einstufung KS-3) hinaufgekommen bin. Bis zu diesem Punkt war ich sicher, dass ich ab hier wieder aussteige, zumal mir die Bilder des zweiten Teils (4 Karabiner von 5 möglichen, Schweizer Einstufung KS-4) wenig Zuversicht eingeflößt hatten.
Nach einer kurzen Adrenalinsenkpause und einem Gespräch mit einem älteren Herrn (der war noch älter als wir!) gab es dann doch keine Diskussion und wir gingen in den zweiten Teil. Der war deutlich anspruchsvoller aber bei angemessener Sicherung und zumindest rudimentärer Vernuft dennoch nicht so schlimm wie befürchtet. Bei der Traverse auf einem schmalen Grasband in sehr luftiger Höhe konnte ich immerhin frei stehen und den Blick in die reichlich vorhandene Luft werfen. Auf den Bildern sah das alles ziemlich knieerweichend aus. Der Weg führt unweigerlich nach oben und dann standen wir auf dem Gipfel. Der weitere Weg macht keine wesentlichen Höhenmeter mehr, führt aber über einige Stellen, die man nicht als ausgesetzt, sondern als aussätzig bezeichnen kann. Mit dabei ist auch der Weg über einen kurzen, schmalen Felsgrat, der links und rechts einfach nur glatt runtergeht und der durch das Sicherungsseil einen etwas gebückten Gang erfordert, welcher sich in diesem Moment nicht unbedingt als stabilisierend erwies.
An einer breiten Spalte war ein Spender aus der US-amerikanischen Stadt Charlotte so freundlich, eine Brücke zu spendieren, die dann auch nach passenderweise "Charlotte-Bridge" genannt wurde. Diese Brücke besteht aus einer Art luftigem Nichts, welches mit einem Hauch von Unsichtbar stabilisiert wird. Na gut, wenn man die feine Kunst der Übertreibung aus dem Satz herausdenkt, bleibt ein filigranes Gerippe aus Stahl übrig. Begegnet man auf einer normalen Wanderung einer solchen Brücke, würde man wahrscheinlich mit stockendem Atem davor stehen und die möglichen Rückwegsalternativen noch einmal überdenken. Zu dieser Zeit hatten wir aber schon alle Register der Höhen und Tiefen gezogen und jede Art von Unwohlsein hinter uns gelassen. Die Brücke war erstaunlich stabil und nur die seitliche Schlingerbewegung erzeugt ein leichtes Heben der linken Augenbraue.
Nach einer kurzen Genusspause bei Frischluft und schweizer Käse ging es in eine breite Spalte runter, an der sich Gerts und meine Wege zumindest kurzzeitig trennten. Er wollte noch den dritten Steig besteigen (Schweizer Einstufung KS-5) und mir ging dann die Düse schon allein ob der Beschreibung von abdrängendem Fels und dem beherzten Griff in denselben. Gerts letzte, vom fernen Wind herangetragenen Worten waren in etwa ".. na ob das eine so gute Idee war .." und mir war nicht klar, ob er den Weg meinte, den ich im rolligen Gras nach unten holperte und stolperte, oder ob er den vor sich abdrängenden Fels meinte. Ich schlug mich tapfer den weiter gut gesicherten, aber nicht spaßigen Weg weiter nach unten und Gert verschwand in der grauen Masse, in der ich ihn zwar einige Male zu photographieren versuchte, aber meist nur graue Masse ablichten konnte. Er schaffte es dann auf einmal, verschwand über der Kante zwischen Felsgrau und Himmelblau und winkte stolz oben vom Gipfel, während ich mehrmals den weiter oben von ebenfalls absteigenden Absteigern losgetretenen, bösartig polternden Jungfelsen im Endeffekt erfolgreich auszuweichen versuchte.
Vor mir erschien dann eine verschämt über die Felsen verschwindende Strickleiter aus Stahlseilen, welche sich nach dem ausweichmanöverbedingten Zickzackabstieg als erleichternde Offenbarung präsentierte. Ich war noch nicht ganz unten, als ein "Oh oh" von oben ertönte und ein zügig beschleunigter Felsbrösel die Kante selber sichtlich überrascht hinter sich ließ und nach der Beschreibung einer schönen ballistischen Flugbahn ins Gras biss. Daraus zog ich dann die letzte Konsequenz und ich machte, dass ich mich von der mir nachsteigenden Gruppe in einer ähnlichen Geschwindigkeit entfernte.
Der Abstieg über die Matte an Edelweiß und einem verlassenen Edelbergrad vorbei, war im Verhältnis zu den gerade hinter mir liegenden Neigungen eigentlich als waagerecht zu betrachten. An der bald erscheinenden Wirtschaft ließ ich mir einen alkoholfreien(!) trüben Saft durch die Gurgel gluckern und erwartete, die Beine hochgelegt, die Ankunft des meines nun umweglaufenden Bruders. Diese Ankunft ließ erstaunlicherweise nicht lange aus sich warten. Er kam in allen Teilen, vollständig und gut gelaunt an und wir genossen dann noch einen weiteren, allerdings nicht kastrierten Möhl-Saft. Die Erzählung vom Gert über seine Erfahrung auf dem getrennten Stück baue ich hier bei Vorliegen gerne ein.
Die telefonische Auskunft von Gert über die zu erwartende Ankunftszeit zur punktgenauen Zubereitung der Proteine in Form von aus Rindern und Schweinen herausgeschnittenen Edelstücken konnten wir leider ob der überraschend darniederliegenden Verkehrslage nicht einhalten, was der Aufnahme der leckeren nicht-vegetarischen Bratlinge allerdings nicht im Wege stand.
Für weitere Recherchen kann ich www.klettersteige.de, www.myswitzerland.com und latürnich meine Lieblingsseite www.wikipedia.de empfehlen.